Evaluation

Keine Premiere ohne Schwierigkeiten

Vor wenigen Wochen fand an unserer Fakultät die erste Bewertung der Lehrveranstaltungen statt. Ziel dieser Umfrage war es, eine Anregung und vielleicht auch einen Beitrag zur Verbesserung des Studiums zu leisten, indem sie ein umfassendes Meinungsbild über die Qualität der Veranstaltungen einfangen und dieses den Dozentinnen und Dozenten zur Verfügung stellen sollte. Nach dem abrupten Ende des ersten Versuchs im letzten Semester lag uns jetzt um so mehr daran, das Projekt diesmal mit den Dozenten und dem Fakultätsrat abzustimmen. Unsere Erfahrungen aus diesen Gesprächen waren durchweg positiv; die Dozenten zeigten sich in ihren Sprechstunden unserem Anliegen gegenüber interessiert und gesprächsbereit.

Allerdings ist die Arbeitsgruppe Evaluation von ihrer ursprünglichen Absicht abgerückt - und zwar eine durch Benotung bestimmter Kriterien zwischen den Veranstaltungen vergleichende Auswertung zu erstellen, deren Ergebnisse dann veröffentlicht werden sollten.

Die Gründe dafür waren vielfältig. Da waren natürlich zum einen eine Reihe von Bedenken auf Seiten der Professorenschaft, angefangen beim Sinn und der Zulässigkeit einzelner Fragen bis hin zu größeren Vorbehalten hinsichtich der Veröffentlichung der Ergebnisse.
Doch auch wir hatten unsere Schwierigkeiten mit dem Fragebogen. Und die waren vor allem organisatorischer Art. Ein Fragebogen, der nur in den 22 Vorlesungen des Grundstudiums mit durchschnittlich ca. 150 Teilnehmern nach 20 Merkmalen fragt (klassisch verhältnisskaliert von "sehr gut" bis "mangelhaft"), zieht schon beunruhigende 66.000 Angaben hinter sich her, die auf ihre statistische, möglicherweise computergestützte Auswertung warten. Für SPSS-Greenhorns (EDV-Programm für statistische Anwendungen; d. R.) wahrlich kein angenehmer Gedanke.

Der direkte Weg

Kurz und gut: statt Fragebögen gab es "Bewertungsbögen", das heißt, es wurden nur schriftlich positive oder negative Meinungen zum Dozenten, zur Vorlesung, zu dem Studium als Ganzem und zur begleitenden Übung erfragt. Und das hat sogar einige Vorteile:
Da alle Bewertungsbögen, so wie sie von Euch ausgefüllt wurden, direkt an die Dozenten zurückgegangen sind, haben diese nun wirklich die Möglichkeit, ein differenziertes Bild über Zustimmung und Ablehnung ihrer wöchentlichen Vorträge zu bekommen. Es liegt jetzt also an ihnen, sich über positive Ergebnisse zu freuen bzw. sich über negative Ergebnisse ihre Gedanken zu machen und entsprechend zu reagieren.
Ein Nachteil dieses Verfahrens besteht in der mangelhaften Vergleichbarkeit der lehrveranstaltungsbezogenen Ergebnisse. Deshalb werden sie von unserer Seite auch nicht veröffentlicht, sondern wir haben lediglich die Dozenten gebeten, dieses im Rahmen ihrer Veranstaltungen zu tun.

Knackpunkt Studienorganisation

Was wir jedoch unbescholten veröffentlichen können sind die Ergebnisse zum Studium als Ganzem. In die Auswertung bezogen wir 413 Bögen (Stichprobe) ein umd versuchten, die spontanen Meinungsäußerungen in Kriterien zusammenzufassen. Dabei schneidet die Bewertung der Studienorganisation am schlechtesten ab (14 mal positiv, 158 mal negativ, Saldo -144). Unangefochtener Spitzenreiter der Negativhitliste sind die nebeneinander bestehenden Prüfungsordnungen (-27). Desweiteren werden das geringe Angebot an Wiederholungsklausuren (-15), die BWL-Vordiplom-Klausur (-14) und das nur jährliche Angebot einiger Veranstaltungen (-13) genannt. Mit einigem Abstand folgen das Anforderungsprofil (16 mal positiv, 51 mal negativ, -35), wobei hier besonders die Mathematiklastigkeit bemängelt wurde.
Desweiteren wurden die materiellen Rahmenbedingungen (12 mal positiv, 44 mal negativ, -32), vor allem die teilweise überfüllten Übungen und die schlechte Akustik der Kapelle kritisiert. Der aus studentischer Sicht fehlende Praxisbezug (2 mal pos., 37 mal neg., -35) und die Studienbetreuung bzw. -beratung (6 mal pos., 26 mal neg., -20) fanden sich ebenso häufig auf der Negativseite wieder, was wohl zu recht als kleiner Fingerzeig an die Zimmer 7 und 8 interpretiert werden darf.

Die - wenn auch wesentlich kürzere - Liste der positiv bewerteten Punkte wird angeführt von der allgemeine Atmosphäre an der Fakultät (46 mal pos., nur 2 mal neg., +44; z. B. Mensa, überschaubare Veranstaltungen, keine anonyme Massenuni, gute persönliche Kontaktmöglichkeiten) und der Qualität der Lehrkräfte (28 mal pos., 15 mal neg., +13).

Kriterien:

Zitate:
Studienorganisation

Prüfungsordnung:
"das Chaos regiert", "undurchsichtige Prüfungsordnung", "es wird zu schnell zu viel geändert", "Wirrwarr mit der     Prüfumgsordnung"

Wiederholungsklausuren:
"schlechte Regelungen für Wiederholungsklausuren", keine Nachklausuren", "zu wenig Möglichkeiten, eine Prüfung zu wiederholen"

BWL-Vordiplom-Klausur:
"BWL-Prüfung nicht geteilt", "BWL-Prüfung zu umfangreich, wie soll man das alles auswendig lernen"
 
Allgemein:
"Übungen sind teilweise zweite Vorlesungen", "schlechter Informationsfluß", "zu langes Warten auf neue Prüfungsergebnisse", häufiger Professorenwechsel", Bemühungen und Engagement für den Aufbau eines neuen Fachbereichs in einer reformierten Uni"

Anforderungsprofil:
"anspruchsvoller als andere Unis", "man wird hier zu zum Dipl-Mathematiker ausgebildet, statt zum Betriebswirt", "nichts verstehen, nur auswendig lernen", "es wird den Studenten systematisch das wahre Denken abgewöhnt", Abschaffung der renommierten Institute", "zu wenig Projektarbeit im Grundstudium", "zu wenig interdisziplinäre Zusammenhänge im Grundstudium", "wenig ökologische Aspekte", "sehr stark mathematisch orientierte VWL mit relativer Realitätsferne"

Praxisbezug:
"wenig Anwendbarkeit bzw. Praxisbezug"; "Praxisnähe fehlt"

Studienbetreuung und -beratung:
"Öffnungszeiten der Institute und des Prüfungsamt sind studentenfeindlich", "schlechte Studienbegleitung, z. B. beim Übergang ins Hauptstudium zu wenig Beratungsmöglichkeiten", Institute kümmern sich nur um ihre eigenen Angelegenheiten", "unfreundliches Verwaltungspersonal", "Türsprechanlagen sind negativ""

Atmosphäre:
"keine Massenabfertigung", Beziehungen zu Assistenten und Studenten", "Atmosphäre nicht zu unpersönlich", "Motivation unter den Studenten vorhanden", "lauter tolle Kommilitonen", "gutes Fluidum", "wäre ich sonst hier?"

Qualität der Lehrkräfte:
"fachlich gute Lehrkräfte", "gute Professoren", "elitäre Getriebe des Fachbereichs", "Mangel an pädagogischen Fähigkeiten bei der meisten Lehrenden"

Eigenständigkeit im Studium/ Verschulung:
"zu wenig Anregung zur Selbständigkeit", "zu verschult"

Materielle Rahmenbedingungen:
"zu kleine Räume, in denen sich die Luft staut, un die Akustik schlecht ist", "Übungen oft im zu großen Rahmen"

Die Auswertung bescherte uns jededch nicht nur Arbeit, sondern auch unheimlichen Spaß. Um Euch einen Eindruck davon zu geben, wollen wir Euch an dieser Stelle einige (eher belustigende und nicht ganz ernst zu nehmende) "Ansichten" nicht vorenthalten:

"Tolle Frau! Würde ich gerne mal zum Essen einladen." (Um wen handelt es sich wohl?)
"'Bröselt' zu viel." (Lütkepohl); "Es wird den Studenten systematisch das wahre Denken abgewöhnt."; "tendenziell erwartungstreu" (zum Studium als Ganzen); "well-dressed" (Plinke); "Grammatikkrüppel"; "ein durch und durch niedlicher Typ" (Waldhelm); "grüßt freundlich jeden Zuspätkommenden"

Und was beschert uns die Zukunft?

Natürlich war diese Aktion keine Eintagsfliege und auch nicht der Weisheit letzter Schluß. Wir haben in der Vorbereitung des Projektes neben hilfreichen Vorschlägen von Professorenseite auch Kontakt zu einer Projektgruppe an der FU geknüpft, mit der wir im nächsten Semester möglicherweise eine gemeinsame Befragung an beiden Universitäten anstreben.

Ein großes Plus für uns sind die SPSS-Erfahrungen und die technischen Voraussetzungen der FU, die wir bei der Zusammenarbeit nutzen könnten. Ab dem nächsten Semester wird das Hauptstudium in die Evaluation miteinbezogen werden. Es gilt das Hauptproblem - in welchem Rahmen die dann vergleichbaren Ergebnisse veröffentlicht werden (sollen, dürfen, müssen?) - in Abstimmung mit den Dozenten zu lösen.

Kerstin Drägestein, Axel Hermanns