Kein Dach mehr für Vorlesungen

Aktionswoche “Uni auf der Straße”. Schade, daß für die Wiwis daraus nur ein Tag wurde, der Dienstag, 21. Mai.
Es war ein fröhliches Ereignis vor dem Roten Rathaus, die Sonne schien und gleichzeitig protestierte man gegen Kürzungen im Hochschulbereich. Wie wäre es, wenn die Kürzungen soweit gimgen, daß man wegen Raummangel draußen sitzen müßte? Das hieß kreativer Widerstand, und er kostete eine Menge Vorbereitung und Arbeit. Abgestimmt über die Verlegung von Veranstaltungen auf die Straße wurde in der Wiwi- Vollversammlung am 7. Mai, wo immerhin 200 Studenten anwesend waren.
Man einigte sich mit Juristen, Geographen und Anglisten, den Protest gemeinsam zu organisieren, so daß man in der Woche eine bunte Palette von Vorlesungen vor dem Roten Rathaus zur Auswahl hatte.

Das merkten auch einige Passanten, die stehenblieben, sich dazusetzten, sich teilweise sogar einmischten (es ging um Steuern) oder auch den Kopf schüttelten. Eine chinesische Delegation kam vorbei und machte Fotos. Fotos machten auch andere. Der Motz- Verkäufer nutzte die Gelegenheit und brachte seine Zeitung an den Mann. Ein Fotograf von einer Agentur beschäftigte sich eine dreiviertel Stunde mit der Aktion und verschoß vier Filme.

Dr. Stäglin und Studenten entschlossen sich am Nachmittag ganz spontan, Wirtschaftsstatistik III nach draußen zu verlegen. Da schon jemand eine Vorlesung hielt über sexuellen Mißbrauch, Trieb, Über- Ich, Idealisierung, übersteigerte Begeisterung, Abwehrmechanismen und Verdrängung ( vielleicht die Psychologen- wie kamen die denn hierher ), rückte man ein paar Bänke zur Seite und hielt eine Parallelvorlesung. Es war wirklich interdisziplinär und Psychologie- Wirtschaftsstatistik eine spannende Mischung.

Warum also war die Wiwi- Fakultät nur einen Tag lang vertreten? Der Regen machte einen Strich durch die Rechnung. Und auch einige Professoren, die absagten, obwohl sie vorher schon zugesagt hatten. Andere Professoren waren sehr ehrlich und sprachen aus, was sie dachten: Sie hielten nicht viel von der Aktion, wegen des nicht erkennbaren Nutzens und weil sowieso gespart werden muß. So konnte man sich auch nicht auf eine Verlängerung der Aktionswoche einigen, obwohl Dekan Blankart in der Fakultätsratssitzung die Professoren dazu aufrief, sich doch aktiv daran zu beteiligen. Nur drei Professoren erklärten sich bereit. Fragt man sich, warum.

Zur Sinnfrage des Ganzen könnte man vielleicht folgendes Fazit ziehen: Es wurde wenigstens protestiert, wenn auch nicht so effizient wie mit einer Demo. Der Aufwand war vielleicht ein bißchen hoch, verglichen mit dem Nutzen, aber der Spaßeffekt ist bei solchen Aktionen nicht zu unterschätzen.

Spaßig wird`s dann irgendwann nicht mehr, spätestens wenn wirklich 1000.- DM für das Semester bezahlt werden müssen, die Bibliothek nur noch Bücher von vor zehn Jahren im Bestand hat oder die Vorlesungen tatsächlich wegen Raummangel im Freien stattfinden.

Beatrice