Sparschweine!

Das Gesetz der Serie gilt auch für die Humboldt-Universität: alle vier Jahre ist es an der Zeit, Politikern und Professoren mit Hilfe eines Streiks die Meinung zu sagen. Dieses Jahr schlossen sich die Berliner Universitäten  einer landesweiten Streikaktion an und waren somit nicht mehr isoliert wie noch 1993.

Vollversammlung

In der WiwiFak folgten am Montag, dem 1. Dezember dem Aufruf des Studentenrats zur Vollversammlung ca. 400 (jedenfalls ein Hörsaal 201 voll) angehende BWLer, VWLer und WiPäds. Im Vergleich zum 93er Streik waren das etwa doppelt so viele. David de Gejysel, Vertreter des Studentenrates versuchte, seine Kommilitonen von der Notwendigkeit eines Streiks zu überzeugen. Seinem Hauptargument, daß der Streik Gelegenheit zur Organisation von Protestveranstaltungen und der Erarbeitung studentischer Forderungen gebe sollte, wollten aber nicht alle Studenten folgen. Proteste nach den Vorlesungen wurden ebenso vorgeschlagen wie der Nutzen eines Streiks überhaupt in Zweifel gezogen. Mehrere Studenten glaubten, ohne die Zustimmung der Professoren sei ein Boykott des Lehrbetriebs unmöglich.

Diese Angst  mußte erst ein Professor (nämlich Herr Kamecke) dem Auditorium nehmen, indem er die zumindest einwöchige Solidarität der Lehrenden zusicherte. In dieser Woche wollen er und mehre seiner Kollegen keinen  prüfungsrelevaten Stoff behandeln. Das brachte wohl die Mehrheit der Studierenden auf die Seite der Streikbefürworter. Bei der Abstimmung fand der Antrag auf Durchführung eines Striks große Zustimmung. Gleichzeitig wurden mehrere Aktionsgruppen ins Leben gerufen. Sie beschäftigten sich mit „Studiengebühren“, „Podiumsdiskussion“ und „Alternativer Prüfungsordnung“. Vor vier Jahren gingen aus den Streik-Initiativen die Evalua-tionsgruppe und der HERMES hervor, auch der Studentenrat erhielt eine erfolgreiche Frischzellenkur.

In diesem Jahr fiel auf, daß sich ungewöhnlich viele Erstsemester an den Aktionen beteiligten, z.B. in den Aktionsgruppen.
Das Café im 3. Stock wurde zum Streik-Café ernannt und diente als Treffpunkt für alle Aktiv(ist)en.

Alternative Veranstaltung

Neben anderen Professoren behandelte Prof. Kamecke am Montag das Thema Bildungspolitik in seiner Vorlesung mit anschließender Diskussion. Er widersprach vor allem der studentischen Forderung „Keine Studiengebühren“, da aus wohlfahrtstheoretischer Sicht ein Preis von 0 für ein überwiegend privates Gut nicht zu rechtfertigen ist und zu ineffizienter Nutzung des Bildungsangebots und somit zur Ineffizienz der Hochschulen insgesamt beiträgt.

Die Studenten hätten nach seiner Vorstellung nicht die gesamten Kosten der Hochschulen, sondern lediglich die Grenzkosten ihrer individuellen Ausbildung zu tragen und wahrscheinlich sogar noch weniger, wenn man in Rechnung stellt, daß Bildung auch Aspekte von öffentlichen Gütern trägt. Es gibt also so etwas wie einen sozialen Nutzen von Bildung. Das Beispiel, daß gebildete Menschen angenehmere Partygäste seien, schien dann aber etwas zu simpel, hängt nicht das Funktionieren einer Demokratie von einem funktionsfähigen und nicht nur eindimensionalen Bildungssystem ab? Die Diskussion über die Rolle der Ausbildung für die Gesellschaft wurde also noch nicht mal angerissen, obwohl auch Herr Kamecke betonte, daß er sie für wichtig hält. Sind vielleicht andere Argumente ebenso gewichtig wie Effizienz?

Genug Fragen, z.B. für die

AG Studiengebühren/ Hochschulfinanzierung

von der uns ein kleiner Zwischenbericht vorliegt: Wir wollen:

  • Angaben über Finanzierung und Studiengebuehren in verschiedenen Ländern (z.B. Japan,USA,Irland, England, Australien, Frankreich) aufzeigen und sammeln
  • einen tabellarischen Überblick der Länder anhand von Bildungskriterien erarbeiten
  • Möglichkeiten, Anregungen und Ideenkonzepte für Alternativen zum deutschen Bildungssystem diskutieren und auswerten
  • theoretische Konzepte der Studienfinanzierung vergleichen
  • eine sozialvertraegliche Umsetzung von Studiengebühren diskutieren.
  • Wir wollen  mit Gruppen anderer Fachbereiche zusammenarbeiten. In Planung ist die Beteiligung an der Kommission Studiengebühren unter der Leitung von Prof. Meyer (Präsident der HUB). Auch über Streik hinaus ist die Fortsetzung der Aktivitaeten geplant.

    Treffpunkt jeweils mittwoch 18 Uhr im Café der WiwiFak.

    Zweite Vollversammlung

    Am Freitag, dem 5. Dezember und vorläufig letzten Tag des befristeten Streiks, kamen die Wiwis wieder zusamen, um über eine Verlängerung abzustimmen und einen Bericht der Aktionsgruppen entgegenzunehmen. Da diese mittlerweile auf eine zusammengeschrumpft waren, trat die Auswertung ihrer Arbeit in den Hintergrund. Die Stimmung unter den Anwesenden (nur noch halb so viele wie am Montag) war nicht gerade enthusiastisch, was eine Fortführung des Streiks anbetraf. Die Mehrheit war dafür, einen Aktionstag pro Woche einzuberufen. Ob dieser mit Leben erfüllt wird oder nur ein fauler Kompromiß zwischen Prüfungsangst und Unifrust war, beleibt abzuwarten.

    Auf der VV der Humboldt-Uni am Montag, dem 8. Dezember wurde derweil Unmut über die abtrünnigen Wiwis geäußert, da  der uniweite Streik auch in dieser Woche weitergeht. Auch Berliner Schüler schließen sich jetzt den Aktionen an, obwohl ihnen ein Streik sogar gesetzlich verboten ist.

    Die letzte Nachricht: Der Aktionstag ist Mittwoch ab 13 Uhr. Das Informationsbrett zum Streik befindet sich im Foyer neben der Mensa!

    Diana, Christian & Carsten