Ehrenpromotion für Wolfram Fischer

Eine Lanze für die Wirtschaftsgeschichte

Einen Ehrendoktor war es der Fakultät wert, daß Wolfram Fischer viele Jahre mit den Wirtschaftshistorikern der Humboldt-Universität erfolgreich zusammenarbeitete.  Der bedankte sich mit einem engagierten Plädoyer für sein Fach.

Zum zweiten Mal nach 1989 hatte die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät einen Ehrendoktortitel zu vergeben.  Der Empfänger war am 26. Juni Wolfram Fischer, emeritierter Professor für Wirtschaftsgeschichte an der Freien Universität Berlin (FU).  Vor den Professoren der Fakultät und Vertretern der Universitätsleitung nutzte er sogleich die Gelegenheit, für sein Fach kräftig Werbung zu machen, auch auf die Gefahr hin, „daß die Theoretiker und Ökonometriker unter Ihnen ... mir den Dr. rer. pol. h.c. flugs wieder aberkennen werden“, so Fischer in seiner Dankesrede.

Zuvor hatte Professor David Landes (Harvard), ein langjähriger Freund und Kollege des Geehrten, die Arbeit Fischers gewürdigt.  Er habe, so Landes, herausragende Leistungen auf dem Gebiet der Industrialisierungsgeschichte geleistet und verstünde es im besonderen Maße, seine Erkenntnisse überzeugend und leicht verständlich darzustellen. Die Würdigung nahm der Dekan der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, Charles B. Blankart vor, der sich große Mühe gab, an die Leistungen aus dem - offensichtlich lange zurückliegendem - Lateinunterricht anzuknüpfen.

Zu den vielen internationalen wissenschaftlichen Kontakten die Fischer unter anderem mit Oxford, der London School of Economics, Princeton, Jerusalem und Stanford pflegte, zählt auch die Zusammenarbeit mit Lothar Baar, Professor für Wirtschaftsgeschichte an der Humboldt-Universität (HU).

Die Lehrstühle an FU und HU eint das spezifische Interesse an der Geschichte der Industrialisierung und den Rollen, die Staat, Regierung und Institutionen dabei spielen.  Darüberhinaus ist die Geschichte von Unternehmen und Branchen für beide ein wichtiger Forschungsgegenstand.  Deshalb ist die Verleihung der Ehrenpromotion sicherlich auch als Anerkennung und Dank für die gute Zusammenarbeit zu verstehen.

In seinem Festvortrag sprach Fischer „Vom Nutzen der Wirtschaftsgeschichte“ und erinnerte an die wichtigen Beiträge, die die Wirtschaftshistoriker nicht nur für die Weiterentwicklung der wirtschaftswissenschaftlichen Theorie (z. B.  Konjunkturforschung und Geldtheorie), sondern auch für die Politik, etwa zur „neuen sozialen Frage“ leisteten.  Auch die Wirtschaft würde immer häufiger als Auftraggeber betriebsgeschichtlicher Studien in Erscheinung treten, so Fischer. Mit seinen Schlußworten brach Fischer noch einmal eine Lanze für den Erhalt der Wirtschaftsgeschichte als Lehrfach in Berlin.

Unter Anspielung auf die anstehende Pensionierung Baars, dem gegenwärtig letzten berliner Professor für Wirtschaftsgeschichte (HERMES berichtete), legte er dar, daß die Wiederbesetzung dieses Lehrstuhls Vorrang haben solle, da der Grenznutzen dieser zusätzlichen Einheit besonders groß sei. Seinen Zuhörern im Senatssaal im Hauptgebäude sagte er:  „Wenn Sie die Maßstäbe der eigenen Wissenschaft anwenden, können Sie gar nicht anders, als die Wirtschaftsgeschichte zuerst zu besetzen.“

Christian Müller