„Frischlingsfahrt“

„…diese Fahrt wird wohl kaum aus meinem Kopf zu streichen sein.“, schrieb ich am Sonntag, den 22. November in mein Tagebuch und resümierte in der verbleibenden Zeit noch einmal alle herausragenden Ereignisse dieser beinah als ,Frischlingsfahrt’ anmutenden Reise.

PREBELOW – das schrie nach Aufregung! Meine Erwartung wurde in keinerlei Hinsicht enttäuscht, als ich nach (v)erlebten Vorlesungsvormittag mich hetzend auf dem Nachhauseweg fand und ganz nebenbei feststellte: ,Die Zeit bis zum Treffpunkt – 16.45 MEZ, Oranienburg – ist wohl ein bißchen spärlich angelegt’. Zeit zum Packen meines Hab und Guts (Schminkcase und ähnliches) war nunmehr kaum vorhanden.

Eine Fahrt in das Ruppiner Land, zentraler Ort preußischen Lebens, und ich realisierte nicht einmal die einfachste preußische Tugend, die Pünktlichkeit. Gott ist es zu danken, daß es doch einige wenige Kommilitonen mit einem Auto gibt (an dieser Stelle aufrichtigen Dank!).

Nun war ich also in PREBELOW, Ziel meiner Reise. Wider Erwartens stellte sich die erste Überraschung sogleich bei Betreten der Jugendherberge ein. Es zeigte sich, daß die Vorurteile gegenüber Jugendherbergen im Osten dieser Republik (begründet durch Klassenfahrten an polytechnischen Oberschulen) nicht gerechtfertigt waren. Es mutete eher wie ein Mittelklassehotel mit überproportionaler Bettenaufteilung an. So auch die Herbergseltern, verdammt nette Menschen (einfach, aber sehr nett!).

Nachdem wir die Zimmeraufteilung hinter uns gebracht hatten und der Organisator (StuRa) das uns bevorstehende Programm offenlegte, gingen wir zur Speisung über. Brandenburgische Spezialitäten umspielten und umspülten meinen Gaumen. Frisch gestärkt bewunderte ich die weise Voraussicht des Studentenrats, daß aufgrund der oben geschilderten Vorbereitungsspanne einige Mitgereiste ihren Flüssigkeitsbedarf vernachlässigt haben könnten (Es ist immer wieder erstaunlich, wieviel in einen Kofferraum geht!). Freudig wurde das Angebot, zuzugreifen, angenommen; es lockerte sich so langsam, aber sicher die Stimmung und schließlich lernte man sich so richtig kennen. Im Taumel dieses Vorabends trat der nächste Morgen ins Angesicht, welcher mit einem Spaziergang nach Rheinsberg gekrönt wurde.

Durch Wald und Flur führte der Weg, der einem eingefleischten Naturburschen wie mir das Herz in der Brust höher schlagen ließ. Bei unseren Exkursionen durchs Ruppiner Land hatte man auch die Möglichkeit mit den einzelnen Dorfbewohnern Kontakt aufzunehmen und Erfahrungen auszutauschen.

Nach einem gemütlichen Essen in einem der zahlreichen Restaurants in Rheinsberg und anschließender Schloßbesichtigung (Tucholsky!), fanden wir uns über unterschiedlichste Wege vereint, bereit, den Abend in Angriff zu nehmen.

Der Begriff ,Disko’ rief mir, als er mir übermittelt wurde: „Ey Alter, heut' Abend is Dizze,“ die Frage des Vortages in mein Gedächtnis zurück. Zu diesem Umstand gesellten sich nun einige Zweifel, ob meine Vorstellungen des Begriffs ,Disko’, sich mit den örtlichen Vorstellungen zu dieser Thematik decken würden. Meine Zweifel wurden zerstreut, als die Herbergsmutter (hinreißende Person), bekanntgab, daß später jemand vorbeikäme, der dann Musik macht, zu dieser wir dann, so wir wollen, tanzen könnten.
Mit Lutz als Deejay an den Turntables erreichte das Spektakel seinen Höhepunkt! Der Bär steppte!

Es hätte mich nicht verwundert, wenn bei diesen exzeßartigen Auswüchsen die Party in eine Orgie umgekippt wäre.

Nebenbei bemerkt, bewunderte ich abermals die weise Voraussicht des Studentenrats, in Anbetracht der knappen Flüssigkeitsressourcen, die Fehlbestände des Vorabends auszugleichen.

Die Zeit verstrich. Mit ihr mein Potential an geistiger Zurechnungsfähigkeit. Man wurde offener für Gespräche, soweit ich das jetzt noch beurteilen kann. Taumelnd vor Begeisterung begab man sich im Anschluß, gepaart oder ungepaart, in die Himmelbetten.

Der nächste Morgen offerierte sein kaltes Antlitz mit der Nachricht: Noch zwanzig Minuten bis zur Abreise! Na, wenn das kein guter Morgen nach meinem Geschmack war.
Fazit: gut organisierte Reise, nette Menschen kennengelernt, hatte meinen Spaß!

Kaputtnik Stur