Ä Dännschen, please

Mit der herannahenden Weihnachtszeit wird dieser Witz wieder auf allen Radiostationen Berlins dutzende Male hoch und runter gespult werden: „Was sagt der Sachse beim Weihnachtsbaumkaufen in New York? ...ha,ha,ha!“

Ja, ich stehe dazu. Ich komme aus Sachsen. Mit verschiedensten Taktiken habe ich probiert, meine wahre Identität zu verheimlichen. Die ersten Wochen in Berlin versuchte ich sogar, möglichst gar nicht zu sprechen, erfolglos. Ein Norddeutscher hätte dies vielleicht geschafft, doch ein schweigender Sachse? N´ Gäffschen ohne eehn Word, unmöglich!
Die folgenden Monate lernte ich dann, ein wenig zu „Berlinern“. Doch kaum traute ich mich, diese neuerworbene Sprache zu praktizieren, ließen mir die Reaktionen meiner Berliner Bekanntschaften die Sinnlosigkeit dieses Unternehmens bewußt werden. Sie kommentierten meine schüchternen Sprachversuche mit entrüstetem „Oh nee Andreas, hör uff damit, det klingt ja kraß eeh!“ Doch auch die westdeutschen Kommilitonen, die ja eigentlich wesentlich weniger Erfahrung mit ostdeutschen Dialekten haben dürften, fragten skeptisch „Sag mal, kommst du aus dem Süden?“, und meinten damit natürlich im Osten Deutschlands Bejahte ich dies, mußte ich mir sogleich den Witz mit dem „Gänsefleisch“ anhören.(„Ha, ha, ha!“) Ich gab´s auf. Um sich in Berlin zu integrieren, muß man aggressiv seine Heimatgewohnheiten verteidigen. Die Bayern reden ja auch bayrisch und die Schwaben schwäbeln ohne auch nur auf die Idee zu kommen, sich wegen ihres Akzentes verteidigen zu müssen. Warum sollte ein Sachse dann nicht sächseln? Bleiben nur noch die Berliner mit Ihrem traditionellen Spott. Aber die sind ja hier in Berlin soundso in der Minderheit und von dieser Minderheit hat die Mehrzahl ebenfalls Vorfahren und Angehörige, na woher schon, aus Sachsen.

Gesamtgesellschaftliche Entwicklungen gaben mir zusätzlich Mut. So bestätigte kürzlich ein Arbeitsgericht in Hessen, daß man meine Landsleute nicht wegen ihres Dialekts mit der Begründung der mangelnden Eignung entlassen kann, im Gegenteil! In der B.Z. letzte Woche war zu lesen, daß Flugbegleiter der Deutschen BA ihre Gäste mit lustigen Sprüchen, natürlich in Sächsisch aufmuntern. Wie lange wird es noch dauern, bis Sächsisch zur Einstellungsvoraussetzung wird?!
Liebe Freunde aus dem Rest der Republik, lernt Sächsisch! Auch die letzten Spiele der Nationalmannschaft zeigten, daß sich die deutschen Fußballhoffnungen nur noch auf Kirsten, Marschall und Jeremies stützen, alles gebürtige Sachsen. Tragt Ihr Euch noch in Gedanken, euer Geld mit Kicken zu verdienen, so fangt schon mal an, das neue Vokabular einzutrainieren. Wie sonst könntet Ihr die neue Modesprache verstehen und auf „Gannste mal die Guchel rüberschiehm“ richtig reagieren. Apropos Modesprache, auch in der Rechtschreibung hat Sächsisch schon Einzug gehalten. Wer in der Beschreibung seines schönsten Weihnachtserlebnisses über das Abbrennen von Kerzen berichten will, der sollte beachten, daß „gokeln“ mit g und nicht mit hartem ga geschrieben wird. (Schaut nach im Duden!) Diese Argumente werden Euch hoffentlich die dringende Notwendigkeit des Aneignens dieser Sprache aufgezeigt haben. Jetzt müssen nur noch die Hermeskollegen bekehrt werden, so daß vielleicht schon ab Anfang des nächsten Jahres Sächsisch zur offiziellen Redaktionssprache erhoben wird. Ihr seid dann herzlich eingeladen, mit uns gemeinsam, jeden Donnerstag 18.00Uhr im Turmcafé, Eure neu erlernten Fähigkeiten zu praktizieren.

AS