Vater werden ist nicht schwer...

Die Zeiten hatten sich geändert, auch für die Götter des Wiwian. Alle anderen Stämme waren bereits dazu übergegangen, nur noch an einen Gott zu glauben: die Römer, die Araber, ja selbst die barbarischen Germanen. Nur in Wiwian hielt sich noch der Glaube, daß das Land von einem Götterreigen regiert werden müsse. Für wie lange jedoch das Volk dieses Märchen noch glauben würde, war ungewiß. Erster Aufruhr hatte sich bereits gezeigt. Die Gefahr, daß sich die gemeinen Wiwianer eines Tages in ihren Reihen einen Heiland suchen würden, schwebte wie ein Damoklesschwert über der sonst so sorglosen Götterschar. Eine Lösung mußte her. Und wieder war es Wikus, der Erfindungsreiche, der die Idee hatte: Schicken wir dem Volk unseren selbst geschaffenen Heiland.

Und so begab es sich, daß die Götter sich anschickten, ihren Sohn auf die Erde zu schicken. Eine Sterbliche mußte her, die das Kind gut versorgen würde, mit einem Mann, der an die Macht der Götter glaubte. Schnell waren die Auserwählten gefunden: die liebreizende Maria aus dem Geschlecht der Bewelianer und der etwas langsame, aber gründliche Josef, ein gebürtiger Vauwelianer. Von den Göttern wurde Wikus erkoren, des Sohnes Vater zu werden. Josef wurde vom Ältestenrat berufen, sich um die Überarbeitung des Lex Wiwianus zu kümmern, während Wikus sich um Maria bzw. die Empfängnis bemühte. Maria, sich ihres Ehebruches wohl bewußt, tischte Josef die Geschichte von der unbefleckten Empfängnis auf, und der gutmütige Gatte glaubte seiner geliebten Frau.

Der Winter zog ins Land, und der Winterdienst räumte die Straßen frei, so daß alle Wiwianer zur alljährlichen Volkszählung in ihre Heimat aufbrechen konnten. Also schnappte Josef sich seine schwangere Maria, setzte sie auf einen klapprigen, roten Drahtesel und zog mit ihr gen Wiwlehem. Es gab keine Herberge mehr, nur noch eine Ecke mit Stroh in der Kirchturmspitze. Dort angekommen setzten bei Maria die Wehen ein...

Maria und Josef sahen das Neugeborene an und nannten es: Master-Bachelaurus. Dieser klangvolle Name war nicht ihre Idee, sondern ein Gedankenblitz, gesandt von den Göttern. Um das Baby und die Mutter zu wärmen, machte Josef ein Feuer. Durch den hellen Schein wurden die Götter von der Ankunft des Messias unterrichtet. Damit es dem Kleinen an nichts mangelte, wurden die Heiligen Drei entsandt: Ökonomikus, Managemus und Quantitatius. Sie machten sich auf nach Wiwlehem.

Josef ließ die Gruppe in den unaufgeräumten Turm. Die Gesandtschaft übergab seine Geschenke und freute sich über den guten Zustand von Master-Bachelaurus. Als Weihegaben hatten sie ihm mitgebracht: Internationalität, Ruhm & Ehre und viel Geld. Angezogen von der frohen Kunde kamen weitere Boten und Gratulanten, um an diesem Ereignis teilzuhaben. So wurde der neue Gott und dessen Reichtum weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt.

Aus aller Herren Länder kamen sie nach Wiwian, angelockt von der Hoffnung auf den neuen Messias. Sie folgten Master-Bachelaurus, im Glauben daran, daß er sie in eine bessere, heilere Welt führen möge. Auch einige Wiwianer hatten sich bereits der neuen Sekte angeschlossen. Aber Master-Bachelaurus war, wie jeder kleine Wiwianer, ein verspieltes Kind. Den Göttern mißfiel, daß er nicht so perfekt war, wie sie ihn sich gewünscht hatten.

Auch wenn sie sich größte Mühe gaben, ihn in die Tiefen des Anglikanischen (einer damals bekannten Weltsprache) einzuführen, sprach er dessen Worte nur, wenn es ihm danach beliebte. Mit Sorge sahen die Götter, daß die ersten Fremden begannen, das Land wieder zu verlassen. Es kam das Gerücht auf, Master-Bachelaurus sei gar kein richtiger Messias, sondern ein ganz gewöhnlicher kleiner Junge.

Das war er in gewisser Hinsicht auch. Und Hermes (dem man im Volk schon den Beinamen „Der Weise“ gegeben hatte) erkannte es als erster. So ging er zum Götterrat und sprach: „Euer Messias ist noch ein Kind. Er braucht Zeit, zu dem zu werden, was ihr von ihm erwartet.“ Auch wenn einige der Götter ob der frevelhaften, vorlauten Kritik Hermes' Kopf verlangten, waren es doch die Weisesten, die erkannten, daß das eilige Herbeizaubern eines Heilands nicht alle Probleme lösen konnte, und am Ende alles umsonst gewesen sein könne.

Und so sprach Hermes: „Prahlt nicht allein damit, daß Euch ein Messias geboren wurde. Laßt ihn heranwachsen zu einem weisen und gerechten Mann. Und ihr werdet sehen, die Menschen werden seine Lehren verstehen und bleiben.“

Und so sollte es geschehen. Amen!

Eure beiden Jung(en)Frauen Carolin & Claudia