Frühlingsgefühle

Trendtests

+++Sommer, Miniröcke +++ hemmungsloser Sex im Grünen+++... Wer hat diese fürchterliche Rubrik, als “In/Out- Listen” benannt, in den HERMES eingeführt? Ich nicht, dafür kann ich nun die zaghaften Versuche bewegter Kommilitonen, frühlingsbedingte Hormonschwankungen in Worte zu fassen, als Trendtest getarnt in den Computer tippen. Finger und Kopf schmerzen beim nun schon 12ten Male +++ in Pause auf Wiese liegen +++ . Da entdecke ich unter Out den Ausspruch: +++ Ich!!! +++. Ein Bruder im Bunde?! Gibt es noch Kommilitonen, die jetzt, während die ersten Sonnenstrahlen uns den Schweiß auf die Stirn treiben und alle Welt von ungezügeltem Aktionismus getrieben scheint, sich genauso frustriert, einfach “Out” fühlen?!

Cumpleanos Feliz!

Dabei beginnt der Frühling jedes Jahr hoffnungsvoll!...Happy Birthday!!!... Geburtstag ist ja was Tolles, man läßt das alte Jahr noch einmal Revue passieren und übernimmt die schon antiquierten Vorhaben - Rauchen aufhören, Sport treiben, gesündere Ernährung etc.- in den Plan für’s neue Jahr. Freunde gratulieren dann und wünschen, mit einer Mischung aus Aufrichtigkeit, Ironie und Selbsterfahrung, viel Schaffenskraft bei der Verwirklichung dieser Pläne. Folgerichtig, mal aus Neugier, mal aus Sarkasmus kommt dann die Frage nach: “Wie alt bist’n überhaupt geworden?”. Je nach persönlichem Bekanntheitsgrad kann man daraufhin die Wahrheit sagen oder sein Alter um 1 bis 2 Jährchen abrunden. Die Reaktionen bleiben trotzdem die Gleichen. Entweder fällt man mit “...sooo alt schon?!” direkt ins Haus oder versucht den Schaden mit “Naahhjaaah, man ist ja immer nur so alt, wie man sich fühlt” zu begrenzen.
Ich ignoriere das Erste und beschließe die andere Bemerkung, als Motto für‘s Neue Jahr, in meine Schaffenspläne aufzunehmen.

Think positive!!!

Der Frieden mit der Welt scheint schon wieder hergestellt, als sich bei “Fritz -Radio” die 22jährige Ulrike aus Prenzlau meldet. Es geht dabei um eine Talksendung, die mittels gezogener Fragen (ganz ähnlich unseren IN/Out - Listen), „Bravo“ – gewohnten Teenies die Möglichkeit gibt, ihre Gefühlsausbrüche zu artikulieren. Ulrike jedenfalls zog Frage Nr.23: „Wie stellst Du Dir Deinen künftigen Partner vor?“ Wohlbedacht antwortete sie: „Ich will auf keinen Fall so, na so ältere Männer!“ Die Moderatorin, sozial sensibel und wahrscheinlich auch schon Mitte 30 fragt nun nach, was denn unter älteren Männern zu verstehen sei. „Na ja, so ab 26, 27! Die haben alle so komische Ansichten und so!“ In diesem Moment war sich wahrscheinlich alle Radiowelt >25, einschließlich der Moderatorin einig... – Blöde Tussi!!! ...Während die einfühlsame Radiofrau noch versucht, Ulrike mit „Es gibt doch aber noch jung gebliebene Menschen...“ zu beschwichtigen, wechsele ich den Sender und versuche, mich auf mein neues Jahresmotto zu konzentrieren: „Jetzt nur nicht frustig werden! Es ist doch Frühling, beste Zeit, das Leben zu genießen, auszugehen; in Pause auf Wiese liegen.......neue Klamotten kaufen!“

„Wenn’s doch Mode wäre, zu verblöden...“

Ja genau, neues Outfit, neuer Lebensmut und... Diana, meine langjährige Diskussions-, Redaktions- und Tanzpartnerin hat mir ja schon lange zu neuen Klamotten geraten. Außerdem ist das Verdecken meiner auf halb acht hängenden Jeans, mittels langer knittriger Hemden, bei sommerlichen Temperaturen äußerst unangenehm. War die Jeans schon eine Zumutung, wirkt klebriger Schweiß dann noch abstoßender. Per Schnellentschluß begebe ich mich ins Kaufcenter.
Ich hasse Hosenkauf! Es ist, ähnlich dem Paßbilder knipsen, ein frustrierender Akt der Selbsterkenntnis. Man fühlt sich ständig vom Ergebnis unter Wert geschlagen. Ich ziehe mir ca. 20 Paar Hosen vom Stapel und stehe nun vor diesem gräßlich großen Spiegel. Der Anblick meiner Gestalt im Spiegelbild läßt die Anprobe zur Abfolge körperlicher Fitneßübungen verkommen ... Bauch einziehen, Hintern zusammenkneifen, Kreuz gerade ... Schließlich bleiben zwei Exemplare übrig. Trendig, so mit großen Taschen an der Seite und, etwas zu eng ... sehr vorausschauend, von wegen gesünderer Ernährung, Sport etc. im Folgejahr.
Zusätzlich greife ich mir noch ein paar Schuhe ... groß, kantig, schwarz glänzend ... Ich fand zwar diese Marke früher immer etwas überproportioniert, an Kindersärge erinnernd, aber sie liegt ja im Trend und sooo schlecht sehen die Schuhe ja auch nicht aus. Der Verkäufer, schon auf meine Kundengruppe eingestellt, bemerkt, daß gerade heute und von dieser Marke sämtliche Schuhe meiner Größe ausverkauft wurden. “Die liegen so im Trend, verstehen Sie! “Die Richtigen also”, schließe ich und nehme eine Nummer größer. „Mit (Einlage)sohle ist es ja dann gerade mal nur ne’ halbe Nummer“, rät mir der profitgierige Schuhfachmann. „Meine Größe fiel beim linken Fuß ja schon immer etwas eng aus,“ denke ich mir, den Fehlkauf entschuldigend, weiter. Ich verlasse das Kaufcenter mit zwei Hosen, fünf T-shirts, einem Ledergürtel, einem Paar reichlich großer Schuhe, inklusive Sohlen, und hinterlasse eine Menge Geld und leuchtende Dollarzeichen in den Augen des Schuhverkäufers.

“Der Morgen ist immer klüger als der Abend”

Das neue Lebensgefühl kann beginnen...Frühling genießen; in Pause auf Wiese liegen...Hoch sensibilisiert betrete ich im neuen Outfit die UNI und versuche, anerkennende Blicke in den Augen der Kommilitonen zu erraten. Erst einige Ignoranten, dann die ersten Reaktionen: „Heute neu ausgestattet, was?!“ War das Spott oder zumindest ein kleiner Anflug von ...? Diana beläßt es bei einem sanften, verständnisvollen, und doch mitleidigen Lächeln. Ich hätte Ihr Angebot, mich beim Kauf zu begleiten, doch annehmen sollen! Nun habe ich keine Lust mehr auf „in Pause auf Wiese liegen“, schwing mich aufs Fahrrad und trete den Heimweg an.

„Bicycle, Bicycle!“

Fahrrad fahren ist schön. Man kann beim Pedalen treten die Gedanken schweifen lassen, nervösen Autofahrern den Stinkefinger zeigen und außerdem was Gutes für Fitneß und Figur tun. Ich mag mein Fahrrad. Über lange gemeinsame Jahre haben wir eine persönliche Beziehung aufgebaut. Wenn ich Namen für Fahrräder nicht doof finden würde, würde ich meines Erna nennen. Es hat so was von ‘ner älteren Dame, ein wenig schwerlastig, manchmal quietschend, aber immer verständnisvoll. Nach einem Zwischenstopp zu Hause wollen wir noch mal ins Kino fahren, Erna und ich. Ich stopfe mir also schnell noch ein Brötchen in den Mund und begebe mich zur Tür. Aber,.. wo ist Erna? Weg! Ich suche sämtliche Hauseingänge ab, frage Passanten und laufe am gleichen Abend noch durch alle Straßen des Viertels. Erna kommt nimmer mehr!

„Viva el cynismo“

Seit zwei Wochen bin ich wieder BVG-Kunde. Zu Fuß durchquere ich auf dem Weg liegende Parks, wo Menschen ... na, was schon?! Frühling ist ja bald abgehakt. Herbst und Winter kommen bestimmt, vielleicht auch eine Sommerauflage des HERMES. Ich werde mir dann 20 Fragebögen schnappen und schreibe unter IN: +++Prüfungsplan +++ den ganzen Sommer lang in Bibliotheken sitzen +++ und schließlich, zynisch grinsend, unter Out:
+++ in Pause auf Wiese liegen +++

AS