Ein Sommer in Schweden

Nein, es folgt keine IKEA-Werbung, sondern der reale Erlebnisbericht "Ein Berliner in Stockholm".

Letztes Semester konnte ich mein Studium der Volkswirtschaftslehre in Schweden an der Stockholmer Universität im Rahmen des Erasmus-Programms weiterzuführen. Einige meiner gesammelten Erfahrungen werde ich hier in komprimierter Form darstellen.

Studium, Vorlesungen, Sprachbarrieren und Öl

Die Vorlesungen im Erasmus-Programm finden meist zwei mal in der Woche statt und werden auf Englisch gehalten. Anfangs war es nicht so einfach, Englisch hören, verstehen und selbst reden unter einen Hut zu bringen. Aber wenn der Drang, sich zu äußern zu groß wird, ist alle Scheu vergessen und aus einem anfänglich holprigen Englisch wird ein verständliches.

Die letzten Hemmungen fallen dann spätestens im Mai, wenn das große "Maiölfestival" der Studentenschaft für die richtige Auflockerung vor, zwischen und nach den Vorlesungen mit Hilfe von Unmengen an Bier, Lakritze und Taccos sorgt. Dann klappt es meist auch mit der Schwedischen Sprache (die der Deutschen aufgrund des gemeinsamen slawisch-germanischen Ursprungs ja sehr ähnlich ist), wenn man versucht Deutsch zu sprechen, aber die Zunge einem nicht mehr so recht gehorchen will...

Sprachbarrieren findet man in Stockholm und an dessen Universität eigentlich keine. Wer nur Deutsch sprechen will, kann das: Es gibt einem unglaublich hohen Anteil deutscher und österreichischer Austauschstudierende. Außerdem spricht die ältere Generation der Schweden meist sehr gutes Deutsch. Bis in die 50er-60er Jahre war Deutsch in Schweden noch erste Fremdsprache. Aber auch Englisch können alle. So sprechen selbst einige Busfahrer ein besseres Englisch als bei uns die Abiturienten. Dabei stellt sich wieder die Frage, warum synchronisieren wir eigentlich alle nicht-deutschsprachigen Filme? (Weswegen wir übrigens von einigen Schweden als "Barbaren" bezeichnet werden.)

Ausländer im Ausland

Es ist ein Gerücht, dass die Schweden "Alter Schwede!" rufen, wenn sie über etwas staunen. Schweden bleiben cool und bringen höchstens ein "Ja så!" bei interessanten Neuigkeiten hervor. Als Ausländer entfleucht einem dann doch ab und an ein "Alter Schwede!". Besucht man zum Beispiel eine Kneipe oder andere Lokalität, so wird dort selten oder gar nicht geraucht. Die Bierpreise liegen generell etwas höher und staffeln sich nach dem Alkoholgehalt. Angenehm ist, dass man atmen und ohne Rauchschwaden durch die Lokalität schauen kann.

Ein Unternehmen, dass sein riesiges Werbebudget einsetzt, um gegen sich Anzeigen zu schalten, ist der Systembolaget. Das ist der einzige Laden in ganz Schweden, in dem man Alkohol (nur gegen Vorlage der "ID-Card", um das eigene Alter nachzuweisen) erstehen kann.

Blechdosen liegen hier nicht auf der Straße herum. Weggeworfene Dosen werden eifrigst von Menschen eingesammelt. Denn auf die Dosen wird Pfand genommen und sie werden recycelt. Das Frühstücksbrot wird generell auf dem blanken Tisch gestrichen und alle benutzen ein und dasselbe Buttermesser allerding nicht aus finanziellen sondern traditionellen Gründen. Und so kann man sich weiter wundern über die vielen kleinen Dinge, die so ein Aufenthalt im Ausland für einen bereithält...

Natürlich lernt man im Ausland auch andere Ausländer kennen. Und als Austauschstudent besonders. Das Leben wird dann multikulturell und die unerreichbare riesige Welt wird fassbarer für alle Beteiligten. Ich bedaure es zutiefst, dass ich kein Fußballfreak bin. Denn hier merkte ich mehr denn je, wie dieser Sport Nationen verbindet. Allerdings steht die Musik dem Fußball in nichts nach. Wer ein Instrument Spielen oder Singen kann, hat bei der Vielzahl an Orchstern keine Probleme, irgendwo mitzumusizieren. (Wenn man den Grund für die exessiv ausgelebte Musikalität der Schweden ist nicht das große Vorbild ABBA, sondern eher die Politik, durch die Kinder bis zu einem gewissen Alter (13 oder 15 Jahre) uneingeschränkt kostenlosen Musikunterricht nehmen können.)

Und zu guter letzt lernt man als Ausländer im Ausland sein Heimatland anders kennen. Man trifft viele Menschen, die von ihren positiven und negativen Erfahrungen mit Deutschen und in Deutschland berichten. Man trifft Menschen aus den verschiedenen Teilen Deutschlands. Und man vergleicht die Heimat natürlich mit dem was man sieht und was einem vor Ort passiert.

Smörebröd, Midsommar och Öl

Es ist ein Gerücht, dass Schwedische Gardinen immer Eisenstangen sind -von mir befragte Schweden kannten diesen Begriff nicht einmal! Es ist kein Gerücht, dass Schweden Smörebröd (=Butterbrot) essen, viel Öl (=Bier) trinken und Midsommar feiern. Letzteres findet in Schweden immer an dem Freitag nach der Sommersonnenwende statt. Ich hatte das Glück, dieses Fest auf einer Insel in den Archipelago, der Inselgruppe vor Stockholm, Trångholmen, mit "echten" Schweden und Norwegern zu verbringen. Midsommar wird richtig kultig gefeiert:

Zunächst flechten sich alle weiblichen Wesen Blumenkränze und setzten diese in ihr Haar. Ist der schön mit Blumen und Blätterlaub dekorierte Maibaum (Maistangen) aufgerichtet, kommt Leben in die Bude: die Inselbewohner (Altersspanne 5 bis 85) treffen sich unter dem Maibaum zum Tanzen. Dabei werden lustige Lieder gesungen. Anschließend beginnen verschiedene Spiele und Wettkämpfe. Mannschaftsspiele, die ich seit mindestens 15 Jahren nicht mehr praktiziert habe: so z.B. Eierlaufen, sicher erinnert sich jeder an den Löffel mit einem rohen Ei darin, das unbeschadet seinen Anfangspunkt wieder erreichen soll und wie im Staffellauf an den nächsten übergeben wird?!) oder Brennball, welcher hier auch an vielen anderen Wochenenden zu einer der beliebtesten Freizeitbeschäftigungen zählt. Ein sehr lustiges und schönes Midsommarfest neigt sich dem Ende! Abends gibt es schwedischen "Sil". Das ist in verschiedene leckere Soßen eingelegter Hering. Dazu frische, heiße Kartoffeln und fertig ist eines von Schwedens Nationalgerichten. Mit sehr viel "Öl" wird mir anschließend die weite Vielfalt schwedischer Trinkliedkultur eröffnet.

Nach dem Katerfrühstück und einem letzten Saunagang geht es wieder Richtung Stockholmer Innenstadt. Ein Meer von Segelbooten hüllt unser großes "Busboot" gänzlich ein. Ein Ort, um süchtiger Segler zu werden, ohne vorher schon einmal auf Bohlen gestanden zu haben. Schwankenden Schrittes entlasse ich Euch wieder nach Berlin aber nicht, ohne noch einmal kurz das wichtigste zusammenfzufassen.

Was sollte man dabei haben, um in Stockholm zu überleben:
1. ID-Card (Personalausweis)
2. Kochbuch
3. Deutsches Volks- und Trinkliedgut
4. Handy
5. ein Musikinstrument oder Fußball

Worauf man achten sollte, wenn man unterwegs ist:
1. sobald man ein Geschäft betritt: auf einen Wartemarkenautomaten
2. immer den letzten Schrei von H&M tragen, dann ist man "in"
3. was gesagt wird, wird auch so gemeint, klar und direkt

Weitere Infos:
- www.ne.su.se
- www.wiwi.hu-berlin.de/isifa
- www.stockholm.se
- www.kulturhuset.se

Sabine Kröger