An alle „Wahren Millenniumfeierer“

Der echte Jahrtausendwechsel rückt näher, und so soll die letzte Ausgabe des Hermes im zweiten Jahrtausend nach westlicher Zeitrechnung nicht ohne einen kleinen Hinweis auskommen müssen.

Alles natürlich unter der Voraussetzung, das sich Abt Dionysos Exiguus um 532 doch nicht um 3 bis 7 Jahre verrechnet hat, als er die noch heute für uns gültigen Jahreszahlen schuf, indem er Jesus Geburt auf das Jahr 1 datierte. Womit auch die Schuldfrage geklärt ist, wer dafür verantwortlich ist, dass ein neues Jahrzehnt, Jahrhundert, Jahrtausend nicht 000 anfängt sondern erst 001.

Und unter der weiteren Voraussetzung, dass uns die 300 Jahre nicht vom Kaiser geklaut wurden, der unbedingt im Jahre 1000 des Herrn regieren wollte. Ein wahrlich früher Vorreiter des Millenniumhypes.
Doch selbst in diesem günstigen Fall - wen interessiert‘s? Die Computer haben ihre Bewährungsprobe bestanden – oder auch nicht. Andere Völker und Religionen werden weiterhin an ihrer Zeitrechnung festhalten – oder zu ihr zurückgekehrt sein. Na und die westliche Welt unterlag fast komplett dem Irrtum, dass die schicke runde Zahl auch gleichzeitig ein neues Jahrtausend einleiten würde – und hält es vermutlich jetzt für einen verfrühten Aprilscherz, wenn das zweite Jahrtausend noch einmal begrüßt werden soll bzw. dass andere Religionen dieses Ereignis schon vor tausenden von Jahren begangen haben.

Wenn ihr jetzt trotzdem vorhabt, das echte Fest zu feiern, dann bedenkt unsere im westlichen Raum gültigen Jahreszahlen sind eine rein kirchliche Erfindung. Eine Kreation jener Institution, die noch heute das größte Filialnetz der Welt betreibt und die mehr Wissenschafter über die Jahrhunderte verbrennen lies, als sie Menschen mit „Du sollst nicht töten“ das Leben gerettet hat.

Ist es jetzt als Sieg der Kirche zu verstehen, wenn wir den großen Wechsel ausgiebig feiern? Prinzipiell sind die Grundsätze der christlichen Kirche ja durchaus edel, und dass sie auch umzusetzen sind und nicht nur der Züchtigung der Untergebenen dienen, hat Luther und die ihm folgende Reformation gezeigt. So ist es seiner, der reformierten Kirche zu verdanken, dass die Lehre von Liebe und Gerechtigkeit nicht völlig blindem Gehorsam und Fanatismus gewichen ist. In diesem Sinne, feiert das Fest mit der Intention der Nächstenliebe und dem Glauben an das Gute!

Sicher, ihr seid Wirtschaftswissenschaftler und glaubt an die Macht des Geldes wie der Papst an den Ablasshandel, doch nicht immer muss gutes Wirtschaften profitorientiert sein, sondern manchmal sehr viel mehr als die erste Ableitung gleich Null setzen, sondern nachdenken über das was „eigentlich gut und richtig ist“ - um den Bogen zur drohenden Umweltzerstörung durch blinde Gewinnmaximierung geschlagen zu haben.
Deswegen feiert, wenn euch danach ist, und wenn andere zum feiern aufrufen, dann denkt lieber einmal zuviel darüber nach als letztendlich einen Kreuzzug und die Hexenverbrennung zu unterstützen.

Und so wünsche ich den Pedanten unter uns viel Spaß beim „echten Millenniumswechsel“ und wenige Gedanken an Dionysos und Karl den Großen.

HP.