Innovatives Skill-Building für High Potentials unter der Wiwi-Fak

Expeditionen in die Wiwi-Fak

Auch wenn es die wenigsten von euch wissen – das Angebot an der Wiwi-Fak bietet weitaus mehr als nur anwendungsfeindliche Fächer wie Entscheidungstheorie und Konjunktur- und Beschäftigungstheorie. Nein, aufgrund der veränderten Anforderungen an den Bewerber im Job Market der New Economy existieren bei uns auch praxisorientiertere Veranstaltungen. Beispiele hierfür sind Wirtschaftsgeschichte, Ökonometrie und Töpfern.

Letzteres ist zwar in der PO 2000 noch kein Pflichtfach, auch mit der Annerkennung im Ergänzungsfach könnte es u.U. ein wenig schwierig werden, aber aufgrund des enormen Lernpotentials für spätere Führungskräfte ist dieses Fach an unserer Fakultät nicht mehr wegzudenken. Hier werden revolutionäre pädagogische Konzepte verfolgt. Während man in der Volkswirtschaftslehre bestrebt ist, komplexe Sachverhalte der Realität mittels Mathematik in Modellen abzubilden, wird beim Töpfern versucht, einfache Töpfe aus Lehm zu formen. Dieses völlige Umkrempeln aller bisherigen Ansätze, die stets von der Realität über das Modellieren zu geistigen Erkenntnissen gingen, und nicht wie beim Töpfern über das Modellieren zur Realität, macht das Innovationspotential dieses Forschungszweiges deutlich. Seine Kontraktion auch von betriebswirtschaftlichen Paradigmen, deutlich erkennbar z.B. daran, dass hier nicht wie in Entscheidungstheorie die Entscheidung am Ende eines Prozesses steht, sondern sich die konkrete Entscheidung „Topf oder doch Vase“ am Anfang des ganzen Töpferprozesses befindet, macht es ideal, um alte Denkstrukturen aufzubrechen und neue Wege zu beschreiten, weg vom alten IS-LM Modell und der Real Business Cycle Theory, hin zu glasierten Tellern und kleinen Pferden. Dabei steht stets die wichtige Core-Competence Kreativität, welche bei so vielen Vorlesungen wie z.B. Buchhaltung schon als verloren schien, im Vordergrund. Für High-Potentials sind längere Töpfererfahrungen inzwischen laut Kommunikationstrainerin Viktoria Rehberg fast unabdingbar geworden: „Eigene Produkt-Samples mit zu Vorstellungsgesprächen zu nehmen, ist in jedem Fall ein dickes Plus. Das zeugt von Fokussierung auf das Wesentliche, z.B. die Tasse, und lässt erahnen, dass man sich in ein Pottery-Team sozialkompetent einbringen konnte, heutzutage eine wichtigen Schlüsselqualifikation. Deswegen wird Töpfern inzwischen neben Communication schon zu den wichtigsten Soft-Skills gerechnet.“

Durch diese immense Wichtigkeit des Töpfern beeindruckt, hat auch die Humboldt-Universität zu Berlin, um international ihrem selbstauferlegten Ruf als Elite-Uni gerecht zu werden, ein sogenanntes Brown-Pot-Seminar eingerichtet in dem getöpfert wird. Und zwar unterm Aquarium. In weiser Voraussicht auf die kommende Global Economy hat die HU dieses Off-the-job-Training schon etwas vor dem Internet-Boom eingerichtet, nämlich in den 60´ern. Erst wurde im Keller des Mathe-Gebäudes getöpfert, aber noch zu DDR-Zeiten wurde dieses Fach konsequenterweise der Wirtschaftsfakultät unterstellt, so dass seitdem unter eben dieser immer montags, dienstags und mittwochs zwischen fünf und halb acht die Töpfe das Sagen haben.

Angefangen hat das Töpfern zusammen mit anderen Human-Ressource Workshops für zukünftige Young Professionals, wie z.B. Malen, unter dem Projektnamen “Weiterbildung in der Uni”; wohl um einen internationalen Wettbewerbvorsprung bezüglich der “Ressource Mensch” zu erlangen. Bezeichnenderweise wurde dieses Angebot an die “Ich-AG” zu sozialistischen Zeiten besser genutzt als heute. In guten Nach-Wende-Zeiten kam die Gruppe gerade noch auf 15 High-Potentials.

Angebot an alle Young Professionals

An den TeilnehmerInnen sieht man, dass Top-Leute das Konzept des lebenslangen Lernens vollkommen verinnerlicht haben, sind doch die meisten seit zwischen 20 und 30 Jahren dabei und befinden sich zum großen Teil als Former Professionals schon im Ruhestand. Aber das Angebot richtet sich natürlich an alle hochqualifizierte StudentenInnen und Angestellten.

Diese sind also eingeladen, sich der Task-Force “Pottery in times of globalization”, auch Keramik-Zirkel genannt, in den Katakomben unter der Wiwi-Fak anzuschließen. Zu erreichen ist die Location, indem man am inzwischen eingestürzten Prüfungsamt hinter der Mensa vorbei immer weiter nach unten vordringt. Wo Manager Unmengen Geld für Leadership-Seminare ausgeben, in denen man zu den Wurzeln der Zivilisation zurückkehren soll, offeriert die HU der Elite von morgen diese Team-Experience mit einsturzgefährdetem Surrounding in dem Setting des alten Pestfriedhofes des Heilig-Geist-Spitals, wo man Selbsterfahrungen sammeln kann, wie sie in der Vorlesung Steuern II nur schwer machbar sind.

Zurück in die akademische Steinzeit

Aber: Die Humboldt-Universität hat anscheinend in den 60´er Jahren die Anforderungen des neuen Millenniums an das Intellectual Capital besser verstanden als im neuen Jahrtausend selbst, weswegen Töpfern in den Vorlesungsverzeichnissen bewusst totgeschwiegen wird und auch keine Zettel mehr im Hauptgebäude hängen. Vor allem wird der seit längerem defekte Produktionsfaktor Ofen nicht repariert, so dass man das Gefühl bekommt, der Kurs würde, wohl wegen zu hoher Anwendbarkeit im realen Leben, nicht weitergeführt werden wollen. Einmal schon, letztes Jahr, konnte sich das Töpfer-Team gegen eine drohende Schließung erfolgreich auflehnen, um wenigstens die vorhandenen Materialien aufzubrauchen, aber langfristig wird die Verwaltung diesen zukunftsorientierten Workshop wohl gnadenlos schließen.

Zum Anspruch der Humboldt, eine Elite-Uni sein zu wollen, ist damit alles gesagt. Bei einer Verneinung von so hoch-innovativen Veranstaltungen wie Töpfern wird die HU es nie schaffen, mit amerikanischen Ph.D. Programmen gleichzuziehen; diese Chance wurde hier ein für allemal vertan. Also wird man wohl auch weiterhin mindestens fünf Jahre lang theoretische Hirnkonstrukte auswendig lernen müssen, ohne auch nur einen Klumpen Lehm in die zu Hand zu bekommen.

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