AIESEC?

Der Name AIESEC ist wahrscheinlich niemandem an unserer Fakultät unbekannt. Neben Plakaten und einem strategisch optimal neben der Cafeteria positionierten Schwarzen Brett sorgen auch diverse Präsentationen vor Vorlesungen oder geladenem Publikum dafür, dass fast jeder diese sechs blauen Buchstaben kennt. Doch so genau weiß kaum jemand worum es sich handelt.

Gegen die erste Vermutung, dass es sich bloß um eine Studenteninitiative, die für unselb-ständige Kommilitonen Praktika im Ausland organisiert, sprechen mehrere Indizien. Wieso existiert eine so gigantische Werbemaschinerie? Weshalb benötigt eine Studentenorganisation eine so perfektes corporate identity? Warum brauchen freiwillig zusammenarbeitende Studenten eine so hierarchische Organisation?

Weitere Zweifel an den hehren Zielen von AIESEC tauchen bei der Lektüre einer Mit-arbeiterwerbebroschüre auf. Darin steht zum Beispiel: „Uns allen ist bewusst, dass gerade der anfänglichen Integration von neuen Mitarbeitern eine Schlüsselrolle für die langfristige „Bindung“ von Mitarbeitern zukommt, und hier liegen meist auch die größten Schwierigkeiten!“ (S.2). Diese Akquisition von so vielen treuen Mitarbeitern scheint recht unver-ständlich. Selbst wenn man einmal annimmt, dass die über fünfzigjährige Geschichte von AIESEC ihrem Erfolg recht gibt, so frage ich mich doch, ob im Internetzeitalter noch eine so große Organisation notwendig ist um Auslandspraktika zu vermitteln. Schließlich besitzt AIESEC eine sehr gute Vermittlungssoftware, deren Datenbank aber wie ein Staatsgeheimnis gehütet wird. Bei einem kapitalistischen Unternehmen wäre dies ja verständlich, aber AIESEC ist eine gemeinnützige Organisation ohne Gewinnabsicht. Wahrscheinlich würde eine sinnvoll gewartete Internet-Datenbank 80% der AIESECler arbeitslos machen. Denn die meisten Studenten, welche jetzt noch über diese Organisation ins Ausland gehen, würden sich wahrscheinlich ihren Aufenthalt mithilfe der Datenbank selbst organisieren. Doch das ist nach Aussage der Mitgliederbroschüre nicht das Ziel von AIESEC: „Als erklärtes Ziel wollen wir die Zukunft unserer Länder und aller Menschen mitgestalten“ (S.7).

Um den großen Verwaltungsapparat händeln zu können und die internen „Weiterbildungsseminare“, welche so abstruse Namen wie „SNAIL“, „EAST“ oder „LADA“ tragen, finanzieren zu können, werden den praktikumswilligen Studenten enorme Teilnehmergebühren abverlangt. So kostet eines dieser Austauschprogramme 390 Euro. Eine Kaution von 130 Euro wird auch dann nicht zurückerstattet, wenn man drei der von AIESEC vorgeschlagenen Praktikumsangebote ausschlägt. In den Teilnahmebedingungen des HU Lokalkomitees ist weiterhin vermerkt: „Wird für den Bewerber kein Praktikum gefunden, behält sich AIESEC das Recht vor die Gesamte Teilnahmegebühr [Anm. d. Red: 230 Euro] einschließlich der Kaution einzubehalten, ...“.

Wenn man jetzt all diese Fakten zusammennimmt, so zeichnet sich das Bild von einer Riesenorganisation mit hierarchischer Struktur, enormen Verwaltungsapparat, abschreckenden Gebühren und enormen PR-Anstrengungen ab. Dennoch ist es AIESEC nicht möglich viel mehr als 1000 Studenten pro Jahr ins Ausland zu schicken. Dies bedeutet bei 50.000 Mitarbeitern ein Betreuer/Praktikanten Verhältnis von 50/1. Sollte es also noch irgendwelche anderen Ziele als die Vermittlung und Betreuung von Praktikanten geben, welche von der riesigen Werbemaschinerie AIESECs vertuscht werden? Wenn ja, welche könnten das sein?