Studentenstreik

Stellt euch vor, ihr geht am 21.7 zur entscheidenden Fiwi2-Klausur, auf die ihr euch drei freudlose Wochen lang vorbereitet habt. Vor dem Hörsaal stehen dann aber politisch aktive Kommilitonen, deren Ziel es ist, die Klausuren zu blockieren, um eine geplante Bildungsreform zu stoppen. Die Professoren unterstützen diese Studenten moralisch, da sie ebenfalls Nachteile von der Reform befürchten. Die wochenlange Vorbereitung, das zeitige Aufstehen und die ganze Anstrengung - alles für die Katz.

Genau dieses Szenario ereignete sich in den letzten Wochen hundertfach an staatlichen französischen Universitäten. Kleine Gruppen gut organisierter politisch interessierter Studenten ließen überall in unserem streikbegeisterten Nachbarland Prüfungen platzen. Besonders die Subtilität der Methoden ließ dem normalen Karrierestudenten, der sich um Bildungsreformen einen Dreck schert, die Wutröte ins Gesicht steigen. So erfuhr man erst direkt vor Beginn der Prüfung, ob diese stattfinden wird oder nicht. Häufig durften die aufgrund der zermürbenden Unsicherheit schlecht vorbereiteten Studenten auch selbst wählen, ob sie es wünschen die Examen schreiben zu wollen. War mehr als 50% dagegen, fand die Prüfung nicht statt. Wenn die Mehrheit die Prüfung ablegen wollte, konnten die „Nein“-Sager mit der Zustimmung der Professoren dennoch auf das Examen verzichten. Welche Folgen ein solches wiederholtes Abstimmungsspiel hat, dürfte auch ohne spieltheoretische Modellierung intuitiv leicht nachzuvollziehen sein.

Die Form des Protestes ist somit nicht nur gegen den Staat, sondern vor allem gegen die sich politisch nicht engagierenden Mitstudenten gerichtet. Ein solches Kartell der ihre Besitzstände verteidigenden Professoren und der entweder politisch aktiven oder universitätsmüden Studenten ist demokratisch zumindest fragwürdig, da die die Bildungsreform verabschiedende Regierung zuvor mit großer Mehrheit gewählt worden war und die Hauptleidtragenden nichts mit der Entscheidung zu tun haben.

Neben der Blockade von Universitätsexamen war auch die Durchführung der Abiturprüfungen in Frankreich durch protestierende Lehrende gefährdet. Des weiteren streikten die von keinerlei Kürzungen betroffenen Pariser Nahverkehrsbetriebe wahlweise gegen die Renten- und Bildungsreform sowie viele Bereiche des öffentlichen Dienstes nur gegen die Rentenreform.

Bei den meisten dieser Protestaktionen war das Zahlenverhältnis von Protestierenden und durch den Protest Behinderten sehr ungleich. Es bleibt also zu hoffen, dass bei den geplanten Berliner Aktionen gegen Kürzungen im Universitätsbereich, eher die Entscheider als unbeteiligte Dritte betroffen werden.

gz