Dienstleistungswüste Deutschland

- und das ist gut so!

Zugegeben, es ist schon eine Weile her, dass ich das letzte mal in Deutschland eingekauft habe. Daher konnte ich nicht einer verlängerten Teuro-Kaufblockade anschliessen, denn ich ziehe viel zu viel Nutzen aus der starken Währung. Ich bin seit ein paar Monaten in Asien unterwegs, um etwas über den Teil der Welt zu erfahren, aus dem viele unserer günstigen Rohstoffe, Elektroartikel und Klamotten stammen. Bei unserem Studium kann man ganz schnell vergessen, dass hinter all den Maximierungen Dinge stehen, die über Zahlen und griechische Buchstaben weit hinausgehen.

Ich erinnere mich noch ganz genau an die letzten Besorgungen für meine Reise - es war Deutschland zum Abgewöhnen pur. Sinnlos hier Beispiele zu bringen, ich denke, jeder hat seine eigenen Erfahrungen mit übel gelaunten Angestellten gemacht, bei denen selbst ärztlich verordnetes sechs Stunden tägliches Ego-Shooter-Spielen nicht ausreichen würde, um den Frust abzubauen. Hin und wieder gibt es Ausnahmen: Ausrutscher im alltäglichen Kampf mit der Angst „Achtung! Gefahr! Kunde droht mit Auftrag!“ (das wissen wir alle spätestens seit Statistik). Doch was habe ich von dieser potentiellen Chance, wenn ein Sechser mit Zusatzzahl wahrscheinlicher ist?

Ganz anders werdet ihr vermutlich euren letzten Auslandsurlaub in Erinnerung haben. Im Supermarkt humanoide Tütenpackmaschinen, die sogar lächeln können, sowie viele gut durchdachte Kleinigkeiten mehr - in Amerika und Teilen Europas keine Seltenheit.

Allerdings noch extremer ist es in den Schwellenländern. Angestellte von billigen Restaurants, die jeden Kunden mit einer Verbeugung Willkommen heißen und verabschieden, sind da noch die harmlose Variante. Nicht immer kommt man so glimpflich davon. Die Grenze zwischen Betteln und Verkaufen verläuft fließend. Verkäufer, die auf die Knie fallen, nur um einen 10-Cent-Drink an den Mann zu bringen, nagen an mir. Die Selbstaufgabe aller Würde - Tag für Tag.

Einwände, dass solche Demütigungen für ein 10-Cent-Produkt dann wohl doch etwas übertrieben sind, stoßen auf Granit. Sicher, mit meinem knapp bemessenen Tagesbudget, das dem Monatslohn eines Einheimischen entspricht, habe ich leicht reden. Und das ist genau der Punkt: Es sind Scheißjobs, keine Frage, und sie kriechen nicht vor mir, sondern vor meinem Geld. Was in Luxushotels als normal angesehen wird, ist hier auch auf dem Straßenmarkt gang und gäbe. Geld lässt sich bedienen, ganz gleich, ob der Charakter des anderen dabei auf der Strecke bleibt. Führt das also dazu, dass je mehr Menschenwürde bestehen bleibt, die Leute weniger bereit sind ihre Individualität durch „Dienen“ aufzugeben? So wird in Ländern, die es sich leisten können, weiterhin nach dem Motto gehandelt: Besser zu pampig, als zu freundlich.

Aber, wenn das der Preis für mehr Menschenwürde ist, dann zahle ich ihn gerne. Und vielleicht kommt ja irgendwann mehr Menschlichkeit hinzu. Doch dafür müssten wir alle gleich sein. Dieser Utopie sind aber wohl schon Viele erlegen. Eventuell handelt es sich ja bei der Minderheit der zuvorkommenden deutschen Verkäufer und Angestellten nicht um verklärte Idealisten, sondern um Menschen, die die Gradwanderung zwischen unfreundlich und unterwürfig beherrschen - mit Absicht nett, weil sie das Wissen um die Welt haben.

Reisen bildet! In diesem Sinne, Heinrich.

HP.