Auf Kurs zu mehr Wachstum?
Finanzminister Eichel hielt anlässlich des Festaktes zum 10-jährigen Bestehen der WiWi-Fakultät der Humboldt-Universität die Rede „Deutschland bewegt sich: Auf Kurs zu mehr Wachstum“. Wer jetzt gleich zu Anfang an eins der vielen Werbeplakate der Bundesregierung dachte, sollte recht behalten. Ganz klar, ist doch für jeden ersichtlich, mit Deutschland geht´s bergauf.
Im Jahr 2000 war Hans Eichel bei seiner Rede noch als „Spar-Hans“ gefeiert worden. Damals hatte man das Gefühl, dass sich endlich mal was ändern würde. Doch wenn man der diesjährigen Rede von Hans Eichel lauschte, dann musste man sich vielmehr fragen, ob das noch der selbe Eichel war, wie im Jahr 2000?
Gleich zu Anfang erkennt der Finanzminister richtig, daß Bildung und Forschung die zentralen Erfolgsfaktoren für den Wohlstand unseres Landes seien. Eine nicht neue Erkenntnis und eine Aussage, die bei der Ankündigung einer 20% Kürzung der Finanzmittel der Berliner Universitäten durch den Berliner Senat schon fast höhnisch klingt.
Große Hoffnungen setzt der Bundesfinanzminister auf die Agenda 2010, mit der weitreichende Strukturreformen im Sozialsystem auf den Weg gebracht würden. Hans Eichel fordert einen zukunftsorientierten Haushalt, bei dem jede Ausgabe auf den Prüfstand komme und in wachstumfördernden Bereichen wie Familie und Bildung mehr investiert würde.
Man möchte fast Mitleid mit dem Finanzminister haben,
der vieles vorhatte und letztendlich an Konjunktur, Genossen und Opposition
gescheitert ist. Hans Eichel klebt so fest an seinem Ministersessel, so dass
er nun vor Ökonomen die gescheiterte Finanzpolitik der Bundesregierung
schönreden musste, die ihren Tiefpunkt im mit Frankreich fest vereinten
Brechen des EU-Stabilitätspaktes erreicht hat. Die Aussichten für
die Zukunft sind auch nicht gerade rosig: Die bis zur Unkenntlichkeit rundgeschliffenen
Hartzgesetze und Agenda 2010 stecken in den Tiefen des Vermittlungsausschusses
fest. Der Haushaltsentwurf für 2004 ist verfassungswidrig und basiert auf
unsicheren Annahmen bezüglich konjunktureller Entwicklung und Steuereinnahmen(LKW-Maut).
Deutschland wird von einem Kanzler regiert, der sich ohne klare Linie von der
öffentlichen Meinung beeinflussen läßt und meint, mit dem Vorziehen
der dritten Steuerreformstufe auf 2004 die Konjunktur anzuschieben. Gerade bei
der Formulierung „Konjunktur anschieben“ sollte es jedem Volkswirt
(allen Nicht-Keynesianern) kalt den Rücken runterlaufen. Doch was sind
die Alternativen? Wo ist der nächste echte „schwarze“ Kanzler
zu sehen? Hat die Opposition noch andere Alternativen als ein nicht klar nachvollziehbares
und sogar in der Opposition nicht mehrheitsfähiges Konzept des Finanzexperten
Merz? Es ist geradezu schmerzlich, dass wenn schon die Regierungsparteien keine
vernünftige Finanzpolitik machen, auch von der Opposition nichts als taktische
Blockade zu Stande kommt. Die Schulden und Defizite haben wohl noch nicht die
nötige Schmerzgrenze aller erreicht, damit mal wirklich was passieren kann.
Gute Nacht Deutschland, der Morgen wird kommen, ohne böses Erwachen?
[faw]