Was machst‘n Silvester?

Diese Frage wird in diesen Tagen immer häufiger zu hören sein, um kurz vor dem Jahresende exponentiell anzuschwellen. Doch was ist der Grund dafür?

Während Weihnachten alle Jahre von Verwandtschaftsbesuchen, Familienstreit und fettem Essen dominiert wird, steht man immer wieder vor der Versuchung, dieses Jahr an Silvester etwas ganz Besonderes zu machen.

Tief sitzt die Erinnerung des Neujahrswechsels aus Kindertagen, in denen Mutti versprach einen aufzuwecken und dieses vermeintliche Highlight dann aber mit dem Argument „Du hast so schön geschlafen“, verpassen ließ. Die späteren Familienfeiern mit tanzenden Tanten, „Erste Allgemeine Verunsicherung“ im Fernsehen und Eltern mit roten Pappnasen wollten einem während des Älterwerdens komischerweise nicht mehr so recht gefallen. Also sprach man zu seinen Freunden das erste mal den magischen Satz „Was machst‘n Silvester?“

Diese Frage sollte einen während der nächsten Jahre nicht mehr verlassen. In den frühen Jahren fand man sich noch schnell zusammen. Doch die ersten Partys mit betrunkenen Teenagern, die ihren besonderen Humor durch das Hinterherwerfen von extragroßen Polenböllern bewiesen, lehrten, sich nicht allzu schnell festzulegen.

Also fragt man erst einmal rum ohne selbst zu agieren, denn es gilt, zwei wesentlichen Risiken aus dem Weg zu gehen. Sagt man einem Angebot zu schnell zu, ohne zu wissen, wer wirklich kommt, läuft man Gefahr mit bewusst lang nicht mehr gesehenen Grundschullieben und dem sichtlich deprimierten Gastgeber, luftschlangenumhangen, allein vor dem Fernseher zu sitzen. Auch der sonst oft rettende Spruch „ich muss dann mal los“, zieht vor Mitternacht leider nicht.

Organisiert man eine eigene Party, kann man schnell selbst der deprimierte Gastgeber sein, der froh ist, dass immerhin der Fernseher läuft und die Grundschullieben erschienen sind.

Also hört man sich um und fragt selbst die schrägsten Personen nach ihrer Silvesterplanung. Denn es könnte ja sein, dass Tom, der einem sonst immer ein Ohr mit seinen Autogeschichten abkaut, plötzlich sagt: „Gut, dass du fragst, wir fahren mit allen deinen Freunden und anderen netten Leuten an die Ostsee, wohnen kostenlos in einem schönen, warmen Haus am Strand, werden mit dem Champagner aus der erlesenen Sammlung meines Vaters bewirtet und sehen uns das Feuerwerk am Meer an, wann sollen wir dich abholen?“ Wenn man dann schon woanders fest eingeplant ist, hat man den Salat. Aber natürlich hat auch Tom aus bekannten Gründen nichts festgelegt, außer auf jeden Fall mit dem Auto zu fahren. Doch selbstverständlich stellt Tom die Gegenfrage, bei der man kleinlaut zugeben muss, selbst noch nichts geplant zu haben. So fragt man bis kurz vor Schluss rum, aber da sich niemand festlegen will oder die Teilnahme von vornherein ausgeschlossen ist, legt man sich selbst auch nicht fest. Dieser sich dynamisch verstärkende Effekt, führt dann dazu, dass man kurz vor Neujahr immer noch keine Idee hat, was man macht und auf den erlösenden Anruf wartet, es muss ja gar nicht mehr Ostsee sein! Dieser Anruf kommt, und man zieht mit entfernt Bekannten durch unmotivierte, unbekannte Partys, um dann kurz vor Mitternacht vor dem Brandenburger Tor mit Polenböllern beworfen zu werden und mit Tom aufs neue Jahr anzustoßen.

Ein beliebter Weg diese Situation zu umgehen, ist, mit Freunden lang vorher und mit Vorauskasse eine Silvesterreise in entfernte Gebiete zu planen. Doch bei einem Silvester mit 18 Stunden Autofahrt im Golf, extra hohen Silvesterpreisen und ausgefallener Heizung in der Hütte, fragt man sich, ob dieser Aufwand für einen so kurzen Moment wirklich lohnt. Das Schlimme an Silvester ist, dass alle es so wichtig nehmen und niemand wirklich weiß, warum.

Guten Rutsch!

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