Neulich vorm Senatssaal

Es ist Anfang November, die kalte Jahreszeit hat nun auch Einzug in meine Wohnung gehalten. Und damit konnte ich den Kühlschrank dieses Jahr früher als das letzte Mal vom Netz nehmen. Doch ob die letzte Gewürzgurke nun von der Welt abgeschnitten oder auf dem Fensterbrett in ihrem trüben Wasser schwimmt, macht kaum einen Unterschied. Denn diese zukünftige Stromersparnis ist im Haushaltsplan für den Winter schon mitgeplant.

Die Uni läuft erst seit kurzem, und ich habe gerade meinen Stundenplan fertig gestellt, also alle Veranstaltungen gestrichen, bei denen meine Anwesenheit nicht wirklich erforderlich ist. Als gut informierter Student weiß ich trotzdem über die wirklich wichtigen Dinge Bescheid. Für heute Abend steht noch ein Buffet auf dem Programm. Die Enttäuschung nach dem festlichen Eichelvortrag ist noch frisch - ein echter Bundesminister und dann nur trockene Brezeln mit drittklassigem Sekt. Aus diesem Grund habe ich den Gesinnungsgenossen nicht Bescheid gesagt, noch eine Pleite will ich nicht riskieren, sonst schmeißen sie mich noch raus aus dem eMail-Verteiler. Und das kann ich mir nicht leisten, sichert er mir doch wenigstens eine vollwertige Mahlzeit pro Woche.

Doch schon als wir die Treppe im Hauptgebäude empor steigen, bereue ich es meinen Freunden vom Schmarotzerverteiler nicht Bescheid gesagt zu haben. Das hätte mein ramponiertes Ansehen nach dem Eichelskandal wieder aufpoliert. Zwölf Tische mit Leckereien in mundgerechten Stückchen vom Feinsten, dazu diverse Säfte und weißen oder roten Wein bis zum abwinken. Doch noch herrscht kein Gedränge, der Vortrag ist noch nicht zu Ende und das Schlemmen somit noch nicht eröffnet.

Die Veranstalter sind wirklich Dilettanten. Wir gehen erst einmal nach hinten und vergehen uns an den ungesicherten Kisten mit den Nachschubleckereien - mein Winterkühlschrank sieht prallen Zeiten entgegen. So gehen die 15 Minuten schnell vorbei bis die ominöse Veranstaltung endlich beendet ist und das Fest beginnen kann.

Der handgestrickte und bunt leuchtende Wollschal zeichnet uns deutlich als Außenseiter aus. Und da kommt auch schon der erste Schlips auf uns zu. Schmeißen sie uns jetzt raus? Na denen werde ich was erzählen. Während ich noch überlege, schleicht sich ein Gedanke in meinen Kopf und hämmert um Beachtung: Den gut gekleideten Herrn kenne ich doch!

Während ich angestrengt überlege, fängt unser Gegenüber an zu erzählen. Ein wunderschöner schweizer Akzent, irgendwie verwundert mich das nicht, sondern macht das Bild für mein Unterbewusstsein nur noch runder - und verwirrt mich im Hier und Jetzt. Bis mir Montagabend einfällt und die Veranstaltung, die ich wieder vom Stundenplan gestrichen habe.

Nach zehn Sekunden ist er wieder im Getümmel verschwunden. Noch beim fünften Glas Wein sinnieren wir darüber, ob er das Gleiche hier gemacht hat wie wir: Nutzen maximieren!?

[HP.]