Paris gegen Berlin – Baguette oder Schrippe?

„Berlin ist eindeutig die interessanteste Stadt in Europa.“, sagte mir vor Kurzem ein Kanadier, der in Uppsala/Schweden studiert. „Doch Psst!“, fuhr er fort, „nicht weitersagen, denn es soll ja auch so bleiben.“ Berlin ist eine Stadt, die derzeit überall Begeisterung auslöst. Grund genug einen Städtetest durchzuführen und Berlin gegen andere Städte antreten zu lassen. Was ist dran an Berlins Ruhm?

Den Anfang der Gegnerstädte bildet Paris, die französische Seine-Metropole. Eiffelturm oder Brandenburger Tor? Baguette oder Schrippe? Wo lässt sich besser leben, Party machen und studieren?

Im Test haben wir in verschiedenen Bereichen Punkte vergeben, maximal 2. Wer am Ende das höhere Ergebnis verzeichnet, der hat ihn gewonnen, den „Goldenen Stadt-Hermes“.

Der Nahverkehr

BVG gegen RATP. Metro gegen U-Bahn. RER gegen S-Bahn. In Paris gibt es statistisch gesehen keinen Punkt, der mehr als 500 Meter von einer Metrostation entfernt ist. Das kann Berlin nicht bieten. Allerdings ist mit Paris in diesem Fall auch nur der Stadtkern von Paris, also die 20 Arrondissements gemeint. Sie umfassen jedoch eine Fläche von gerade einmal 105 Quadratkilometern im Vergleich zu 890 Quadratkilometern, die Berlin umfasst.

Die Preise für ein normales Ticket liegen bei 1,40 Euro in Paris. Berlin ist mit 2 Euro etwas teurer. Das Pariser-Studententicket gibt es für 29 Euro pro Monat (allerdings nur im Jahresabo), was leicht über dem umgerechneten Monatspreis des Berliner Semestertickets liegt.

Entscheidendes Plus bei Berlin sind aber die Zuverlässigkeit und der Nachtverkehr. Während in Paris technische Pannen, Fahrgastunfälle und deutliche Verspätungen die Regel sind, ist die Berliner Situation (trotz mancher Kritik) weitaus entspannter. Beim Nachtverkehr ist in Paris schon ab 00:30 Uhr Schluss, wenn die letzte Metro abfährt.

Danach fahren zwar noch Nachtbusse („Noctambus“), die aber in Häufigkeit, Streckennetz und Schnelligkeit nichts mit den deutlich überlegenen Berliner Nachtbussen gemein haben.

Auch bei Sauberkeit, behindertengerechten Zugängen (in Paris fast nie vorhanden) und der Sicherheit triumphiert der Berliner Bär.

-Ergebnis: 1 Punkt für Paris, 2 Punkte für Berlin

Sehenswürdigkeiten und Stadtbild

Paris kann im Vergleich zu Berlin natürlich deutlich mehr historische, weltbekannte Sehenswürdigkeiten und alte Häuser bieten. Bausünden aus Wohnungsmangel-Zeiten und hässliche Plattenbauten findet man in Paris selten. Allerdings ist das Stadtbild ein fertiges Stadtbild und einen großen Wandel beobachtet man in Paris selten.

In Berlin hingegen gibt es den morbiden Charme verfallener Häuser, heruntergekommener Hinterhöfe… die Stadt ändert sich rasant, wobei leider auch viele ehemals spannende Strassen zu modern-sauberen Büro-Ecken verkommen.

„Berlin ist interessanter, Paris schöner“, könnte man etwas platt zusammenfassen.

- Ergebnis: Unentschieden. 2 Punkte für Paris, 2 Punkte für Berlin

Der Touristen-Faktor

Eine Stadt lebt auch von ihrem Ansehen in der Welt. Sie muss Touristen anziehen können und, einmal vor Ort, zum Wiederkommen einladen. 2003 kamen 4,95 Millionen Gäste aus dem In- und Ausland nach Berlin, ein Plus von 4,3% im Vergleich zu 2002.

Das sieht im Vergleich zu etwa 25 Millionen Paris-Besuchern pro Jahr eher mager aus. Doch Berlin ist auf dem aufsteigenden Ast, wohingegen in Paris eine Sättigung zu beobachten ist.

- Ergebnis: 2 Punkte für Paris, 1 Punkt für Berlin

Der Party-Faktor

Sowohl in Paris als auch in Berlin gibt es die vielfältigsten Möglichkeiten abends wegzugehen.

Für alle, die auf Luxus-Discos mit noch luxuriöseren Preisen stehen, nehmen sich beide Städte wohl nicht viel – Paris hat da noch etwas mehr Auswahl.

Doch sehen wir uns den Rest an… Berlin besticht durch seine große Vielfalt insbesondere was die Musikrichtungen angeht. Techno, House etc. gibt es in jeder europäischen Großstadt. Doch in Berlin stehen auch zahlreiche kleine Klubs mit alternativer Musik (Indie, Punk, Alternative, HipHop aber auch Rock) bereit.

In Paris sieht das Angebot schon magerer aus, die Musiklandschaft gleicht einer Monokultur. Gibt es im Bereich „World-Music“ noch ein paar wenige Klubs, so sieht es bei allem was Rock oder gar alternative Musik angeht sehr mager aus. House und Techno hingegen gibt es überall.

Wichtig sind natürlich auch die Preise. In Paris gibt es prinzipiell zwei Modelle: Entweder man zahlt ca. 15-20 Euro Eintritt und hat dann ein Getränk inklusive (die weiteren Getränke sind dann etwa bei 5 Euro – Cocktails sind noch teurer) oder man zahlt keinen Eintritt und zahlt dann etwa 10 Euro für ein großes Bier.

In Berlin sind die Klubs mit dicken Eintrittspreisen selten und wenn, dann bieten sie dafür auch weitaus mehr. In aller Regel findet man ohne Probleme ein Getränk unter 5 Euro und kommt damit also auch in diesem Bereich günstiger weg.

Übrigens ist auch das Konzept für Studentenpartys vollkommen anders. In Paris werden dafür meist Eintrittspreise von 20-30 Euro verlangt, dafür sind dann die Getränke inklusive.

Die Türsteher in Paris sind strikter als die in Berlin. „Korrekte“ Kleidung (keine Jeans, keine Sportschuhe) wird oft als Minimum-Kriterium genommen.

- Wegen der weitaus größeren Auswahl bei niedrigeren Preisen holt Berlin einen klaren Sieg heraus: 2:0.

Das Bauch-Gefühl

Nach Sightseeing oder Studium, nach Arbeit oder Tanzengehen, irgendwann meldet sich der Magen und man möchte etwas essen.

Was den Einkauf zum Beispiel auf Wochenmärkten angeht, da ist Paris uneinholbar vorn. Doch wie sieht es mit den Imbiss-Möglichkeiten und Fast-Food-Angeboten aus?

Für Berliner sind Pariser Döner-Preise (der in Paris als „grec“ mit Pommes im Brot verkauft wird) von mindestens 4 Euro ganz schön teuer. Doch auch bei anderen Angeboten kann man einen deutlichen Aufschlag bemerken. Das untere Preissegment und Konkurrenz-Ergebnisse wie 1-Euro-Döner sucht man an der Seine vergeblich.

Na klar… mit einem halben Baguette (etwa 40 Cent) mit Camembert und einem Schluck Rouge kann man sich doch wieder mit der Stadt der Liebe versöhnen.

-Es bleibt dennoch bei einem 2:1 für die Spree.

Das Lebens-Gefühl

Die meiste Zeit verbringt man immer noch im Al­ltag. Versuchen wir al­so dem gefühlten Wohlbefinden der Bewohner beider Städte auf die Spur zu kommen.

Ein guter Einstieg ist meist ein Blick auf die Menschen in der U-Bahn. Alle Ausländer, die in Paris leben, stellen in der Metro fest: „Pariser sind immer gehetzt.“.

Zumindest in der Metro scheint das wahr zu sein. Es muss schnell gehen und für einen Blick nach rechts oder links hat man keine Zeit. Von der französischen Ruhe und Gelassenheit, der „Laisser-faire-Mentalität, ist da keine Spur.

Im Gegenteil… bleibt man stehen und versucht zur Ruhe zu kommen, scheint alles vorbeizurasen. Auch wenn die Berliner den Ruf haben immer schlecht gelaunt zu sein, wirken sie doch ausgewogener, gelassener. Gehetzte Menschen sind seltener.

Psychologen in Frankreich geben dem Stress dafür die Schuld. Dieser soll noch größer sein, als in Deutschland. Als Beleg wird unter anderem oft die höhere Selbstmordrate angeführt.

So weit wollen wir nicht gehen… Flanieren in den Pariser Galerien, einen Café in einem der vielen Straßencafés oder auch ein Sonnenbad in einem der zahlreichen Pariser Parks – Gelegenheiten zum Entspannen bieten sich auch in Paris.

Doch wenn wir die aktuellen Lieder über beide Städte betrachten, zieht Paris den kürzeren. „Berlin, du bist so wunderbar“, „Görli, Görli“, „Dickes B“… solche Hits sucht man in Paris vergeblich.

-Unsere gefühlte Lebensqualität: 2:1 für Berlin.

Ergebnis

Mit 11:7 holt Berlin sich den ersten „Goldenen Stadt-Hermes“ nach Hause. Herzlichen Glückwunsch!

Allen Paris-Fans, die trotzdem gerne man in Paris vorbeischauen wollen, seien die günstigen Flüge von Easyjet, noch preiswertere Bus-Tickets von Gullivers aber auch die Bahntickets (Nachtzug Berlin-Paris, die Rückfahrt Paris-Berlin gibt es über sncfvoyages.com schon ab 24 Euro) zu empfehlen.

nh