Es geht voran!

Deutschland steckt in der Krise. Und ginge es nach der gefühlten Lage, so befinden wir uns kurz davor, Kuba um Entwicklungshilfe zu bitten. Man kann keine Zeitung mehr aufschlagen ohne auf den ersten drei Seiten zu lesen, dass das mit Deutschland nun wirklich nichts mehr werden kann und dass es in allen anderen Ländern viel besser klappt.

Dass man in Belgien mit einer Gesamtstaatlichen Verschuldung von 100% am BIP auch noch leben kann, dass die Franzosen auch nicht weniger Arbeitslosigkeit haben und dass Globalisierung nichts ist, was nur Deutschland an den Hals gehängt wurde, dies alles geht im al­lgemeinen Pessimismus völlig unter.

Deutschland ist un­angefochtener Eu­ro­pa­­mei­ster in Selbstkritik, zu­min­dest da sind wir Welt­spitze.

Diese Stim­mung führt zu Angstsparen, geringen Investitionen und somit Europas geringstem Wirtschaftswachstum.

Wir halten also fest, dass die Stimmung zehnmal schlechter ist als die Lage und maß-geblich zu der schwierigen wirtschaftlichen Situation beiträgt.

Es bedarf somit einiger zugegeben radikaler Maßnahmen, die Stimmung im Land zu heben. Dabei liefert die deutsche Geschichte genügend Beispiele, wie man gute Stimmung verbreiten kann oder aus dem größten Schlamassel Großes erschaffen kann.

Beginnen wir mit dem einfachsten. Die ehemaligen linientreuen Angestellten des DDR-Fernsehens übernehmen die Leitung von ARD und ZDF, widerspenstige Privatsender werden verboten und es hagelt von früh bis spät gute Nachrichten, bunte Bilder und gute Statistiken. Für die Abteilung Statistik engagieren wir Mitarbeiter des DGB, die schon heute Meister darin sind, mit einer einzigen Zahl (Exportweltmeister) Deutschland für kerngesund zu erklären.

Wir lassen Gerhard Schröder vom Fernsehen begleitet durchs Land fahren und täglich tausende neue Arbeitsplätze besichtigen. Dass es sich dabei um Ein-Euro Jobs handelt muss ja nicht dazu gesagt werden.

Die Opel-Fabrik wird auch nur deswegen in Polen errichtet, weil das Auftragsbuch Opels platzt und es in Deutschland einfach keine Arbeitskräfte mehr gibt. Auf die Botschaft kommt es an!

Um die mediale Optimismusoffensive noch auf Bereiche jenseits der Nachrichten auszuweiten, drehen wir Heimatfilme, in denen die wirtschaftliche Situation schöner nicht sein könnte. Millionen neue Babys, Stellenangebote, die unsere Briefkästen so überschwemmen wie heutzutage Postwurfsendungen und Auslandsinvestoren, die nach Hause geschickt werden, weil es in Deutschland kein Platz für neue Fabriken gibt. Dazu noch ein passender Titel „Der Arbeitsplatz am Wolfgangsee“ und die Sache kommt ins Laufen.

Doch ich fürchte, das würde nicht reichen. Wie bei einem angebrannten Milchtopf, klebt der deutsche Pessimismus fest am Boden. So ein bisschen Gute Laune Spüle hilft da nicht, da muss man mit dem Stahlschwamm ran.

Die nächste Möglichkeit wäre, sich mit einem Land zu vereinigen, welches eine bessere wirtschaftliche Dynamik aufweist als wir, so dass die „nationalen“ Statistiken deutlich besser aussehen. Wenn wir erst mal mit China vereinigt sind, müssen die sehen, wie sie mit uns zurecht kommen. Wir fordern Transferzahlungen und erfreuen uns an den schönen neuen Statistiken des Wirtschaftswachstums und der Auslandsinvestitionen.

Wenn eine Firma auf die Idee kommt, die Arbeitsplätze nach China zu verlagern, so bleibt die nationale Statistik davon unberührt. Wenn das mit der chinesischen Vereinigung nicht klappt, dann gibt es ein altbewährten Trick, mit dem wir uns wieder besser fühlen. Wenn es uns schon nicht gut gehen kann, dann soll es den anderen auch schlecht gehen.

Unsere Nachbarn zu überfallen, geht ja nun nicht mehr, wie uns Frau Ebell in einer Vorlesung belehrte, also müssen wir friedliche Mittel suchen, um dafür zu sorgen, dass es den anderen gefälligst nicht besser geht. Jedes Land der EU muss sich mit einem ehemals kommunistischen Land vereinigen.

Genüsslich sehen wir zu, wie beispielsweise Italien mit Albanien zu recht kommt und wie es die italienischen Statistiken verdirbt. Luxemburg, das reichste Land der Welt, bekommt dann Russland verpasst. Wir können stolz auf uns sein und schadenfroh sagen: „Das haben wir schon hinter uns.“.

Die dritte Möglichkeit ist die effektivste und radikalste. Wann erlebte Deutschland das Wirtschaftswunder? Nach dem Krieg! Alles musste neu aufgebaut werden. Das schafft Arbeitsplätze!

Nein, nein, wer jetzt an Krieg denkt liegt weit daneben. Im nächsten Jahr verschulden wir uns noch mal kräftig, verkaufen alles in Staatsbesitz was nicht niet- und nagelfest ist, teilen dies auf die Bevölkerung auf, fahren alle gleichzeitig in den Urlaub und lassen in der Zwischenzeit unser Land zerbomben. Denn wenn alles kaputt ist, kann es nur noch bergauf gehen.

Es würden täglich tausende neue Jobs geschaffen, die Industrieproduktion würde jedes Quartal zulegen und wir hätten sicherlich das höchste Wirtschaftswachstum Europas. Dann würde es endlich real von Jahr zu Jahr besser werden und da der Untergang schon hinter uns liegt, macht uns dieser auch keine Angst mehr und wir machen uns einen Bunten mit kubanischer Entwicklungshilfe.

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